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11. Februar 2024: Diese Stadt hat Nazis nicht satt. 

14. Februar 2024 - 11:00 Uhr

Ein Kommentar.

Man hätte tatsächlich denken können, innerhalb des letzten Jahres hätte sich in Dresden etwas verändert. Sogar der Oberbürgermeister Dirk Hilbert ließ sich zu einem Novum in der Dresdner Geschichte hinreißen und rief zu den Protesten gegen den Naziaufmarsch auf. Aber das Versammlungsgeschehen am 11. Februar 2024 zeigt, dass diese Stadt weiterhin gern die Aufmarschkulisse für Neonazis, Antisemit:innen und Geschichtsrevisionist:innen stellt.

Gegen jeden Antisemitismus?

Zwischen dem letztjährigen Aufmarsch zum 13. Februar und heute liegen gleich zwei Ereignisse, die die Öffentlichkeit und Politik in der Bundesrepublik Deutschland erschüttert haben. Zunächst sei das Massaker der Hamas vom 7. Oktober 2023 genannt, bei dem 1.200 Menschen aus antisemitischen Motiven ermordet wurden. Seit dem verschärft der deutsche Staat seine Gangart gegenüber tatsächlichen und vermeintlichen Antisemit:innen. In Berlin und anderswo wurde auf propalästinensische und zum Teil antisemitische Demonstrationen mit Gewalt und Verboten reagiert. Überall wird wieder über diese Form des Menschenhasses diskutiert. Und das ist auch gut so. 

Nun wäre es ja möglich gewesen, in die Geschichte der Dresdner Naziaufmärsche zu schauen. Dort finden sich zahlreiche antisemitische Bekundungen: in Reden, auf Transparenten, in Aufrufen. Der ganze Spuk ist in seinem Kern dazu da, das abscheulichste, antisemitische Verbrechen der Menschheitsgeschichte, den Holocaust, zu relativieren oder zu feiern. Was natürlich auch in diesem Jahr nicht ausblieb. So wurde ein Gedicht des NS-Schriftstellers und eingefleischten Antisemiten Heinrich Zillich verlesen. Eine  Abordnung der NPD Kronach trug ein Banner, das die Bombardierung Dresdens mit dem Krieg im Gazastreifen gleichsetzte und forderte „Völkermorder zur Rechenschaft ziehen“. Das es dabei weniger um das Mitgefühl mit der palästinensischen Zivilbevölkerung ging, als viel mehr darum, den Hass auf Jüdinnen:Juden auszuleben, liegt auf der Hand.

Es wäre möglich daraus den Schluss zu ziehen, dass dieser Aufmarsch nicht, oder nur als Kundgebung in irgendeinem abgelegenen Industriegebiet stattfinden darf. Es wäre möglich, zu verhindern, dass menschenfeindliche Propaganda zur Schau gestellt wird. In Dresden tut man dergleichen nicht, sondern entscheidet sich, einen Teil der Innenstadt für einen ganzen Tag mit Gittern zu umzäunen. Die unzähligen eingesetzten Hundertschaften, Pferde und Wasserwerfer, waren hauptsächlich dafür da, gegen Protestierende und zivilen Ungehorsam mit Pfefferspray und Knüppeln vorzugehen. 

Das nennt sich dann Protest in Hör- und Sichtweite, während die Nazis mit antisemitischen, holocaustrelativierenden Transparenten ihre Route abschreiten können. 

Wo ist die Brandmauer?

Nun zum zweiten Ereignis, dass die Öffentlichkeit zuletzt in Aufregung versetzte: die Massendemonstrationen gegen die Deportationspläne der extremen Rechten. Bis zu 40.000 Menschen sollen es gewesen sein, die in Dresden zusammen kamen, um am 21. Januar bzw. noch einmal 30.000 am 3. Februar für die Demokratie einzustehen. Tatsächlich ist in Gesprächen zu erleben, dass sich bei vielen Menschen, die gestern noch mit Schulterzucken auf rechte Propaganda reagierten, ein Gesinnungswechsel zeigt. Endlich wird dieses Problem ernst genommen. Aber anscheinend bleibt es auch dabei, dass rechte Aufmärsche in Ostdeutschland den Großteil der Bevölkerung kaum interessieren. Es ist ohne Zweifel ein Mobilisierungserfolg gewesen, dass in diesem Jahr 5.000 Menschen zu den Gegenprotesten kamen. Das sind deutlich mehr, als in den letzten Jahren. Aber es geht hier auch um einen Aufmarsch von gut 900 Menschenfeind:innen der übelsten Sorte. Wer zu diesem Aufmarsch kommt, weiß worum es geht: nicht weniger als die Errichtung eines Nationalsozialismus 2.0. Wenn sich in dieser Zeit, in dieser Stadt nicht mehr als 5.000 Menschen finden, um diesen Aufmarsch zu verhindern, dann ist es mit dem Schutz der Demokratie nicht weit. Und wenn es im Nachgang des 11. Februar 2024 nicht wenigstens zu einer kleinen Debatte darüber kommt, warum die Versammlungsbehörde und die Polizei diesen Aufmarsch mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen, auch nicht. 

Unterdessen laufen die Nazis weiter im Kreis durch Dresden. Ganz sicher, der Aufmarsch ist nicht mehr derselbe, die Aufmarschroute weniger prestigeträchtig. Aber eins ist sicher: wenn Nazis Nazisachen machen können und dafür nicht unmittelbar Konsequenzen erfahren, dann machen sie weiter. Sie festigen ihre Strukturen und werden mehr. Und vielleicht ist dieser Naziaufmarsch schon bald wieder der größte Europas. 


Veröffentlicht am 14. Februar 2024 um 11:00 Uhr von Redaktion in Antifa, Nazis

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